Das Petrusfenster in der Bessunger Kirche
Kein Besucher der Bessunger Kirche kann das wunderschön rot und blau leuchtende Fenster im Chorraum übersehen.
Es wurde 1965 vom Darmstädter Künstler Professor Bruno Müller-Linow (1909 - 1997) entworfen und ausgeführt. Farben Figuren und Symbole sind zu Szenen arrangiert: Szenen aus dem Neuen Testament um und mit dem Jünger und späteren Apostel Simon Petrus. Die Betrachtung der Szenen zwingt zur Meditation, zur Auseinandersetzung mit der Aussagekraft der jeweiligen Bibelstellen. Die folgenden Erklärungen sollen nur Hinweise auf die Fülle der Bilder sein, die in der jeweiligen Szene anklingen.
Das linke Fenster hat die Berufung des Petrus zum Thema, wie sie beim Evangelisten Lukas im 5. Kapitel nachzulesen ist. Der zunächst zweifelnde Petrus erlebt mit Schrecken, dass seine zu völlig ungewöhnlicher Tageszeit auf Wunsch Jesu ausgeworfenen Netze die Fülle des Fangs nicht halten können und reißen.
Darunter im Bild die Darstellung des die Familie verlassenden Fischers Simon: er kehrt Frau, Kind, Schiff und Beruf den Rücken, um das Kreuz Christi auf sich zu nehmen. Über ihm die Symbole Christi: der Fisch und das Kreuz.
Ganz oben im linken Fensterteil ist eine andere Szene aus dem Wirken des Petrus angedeutet: seine starke Hand führt das Schwert, das einem Soldaten das Ohr abtrennt (Joh. 18, 10). Dieses Schwert wird jedoch von einer weißen Friedenstaube an weiteren Gewalttaten gehindert.
Nun zum Mittelteil. Bruno Müller-Linow charakterisierte einmal den Apostel Petrus in bildhaften Stichworten: "... oft geschwätzig ... führte große Reden ... nicht ganz verlässlich ... in bestimmten Stunden versagend ... nachher den Anker ergreifend ..." So sehen wir Petrus im purpurroten Mittelteil des Fensters. Nicht ohne Grund ist der Anker das Zentrum des Kunstwerks, mit dem am Boden liegenden Petrus, im braunem Büßergewand, den Anker gerade noch erreichend. Aus dem Anker wächst das Symbol von Ostern, das Kreuz mit dem Lamm. Unter dem Anker ist der Bericht aus der Apostelgeschichte 10 dargestellt, in dem Petrus, betend auf einem Hausdach in Joppe, in einer Vision "unreine" Tiere dreimal zum Verzehr angeboten bekommt.
Im oberen Teil des Bildes der weinende Petrus, der sich von der übergroß dargestellten Magd nach mehrmaligen Fragen als Verleugner entlarvt fühlt. Ganz klein über ihm die grüne Gestalt des gefangenen, gemarterten, leidenden Christus in der viel zu engen Zelle, links und rechts davon Folterwerkzeuge. Über diesen trostlosen Szenen steht eine leuchtende Krone als Zeichen für Glanz, Macht und Herrlichkeit.
Das gesamte Fenster wird von dem über dem Mittelteil dargestellten Hahn beherrscht. Bruno Müller-Linow misst ihm vielfältige Bedeutung zu: "...Rufer zur Reue, zur Buße ... Wächter, Tugendwächter .... Prediger, die Schlaftrunkenen durch kräftiges Flügelschlagen aufrüttelnd ..."
Über dem rechten Bildteil des Petrusfensters halten fünf Tauben einen Schlüssel: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, .... , und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden erlösen wirst, soll auch im Himmel los sein" (Matth. 16, 18 ? 19)
Im Bild darunter wird Petrus auf dem Höhepunkt seines Wirkens dargestellt. Als alter Mann steht er mitten im "Schiff, das sich Gemeinde nennt". Über ihm die Zeichen von Pfingsten: das Kreuz, die Taube. Der Heilige Geist wirkt in ihm und aus ihm heraus. Jugend und Alter sind seine Zuhörer. Hinter der Petrusgestalt noch einmal, wie im Mittelteil, eine Anspielung auf die Geschichte um den Hauptmann Cornelius in der Apostelgeschichte, Kapitel 10: der weiße Engel und die blaue Gestalt. Das Weiß des Engels wiederholt sich in der Fortsetzung des Bildes nach unten im Weiß der Braut. Bruno Müller-Linow möchte sie verstanden wissen als Symbol für die Kirche als Braut Christi. Gaben spendende Menschen sind auf diese Figur hin ausgerichtet.
Das Gebäude im unteren rechten Bildteil ist unverkennbar die Bessunger Kirche mit ihrem charakteristischen Brautgang. Außerhalb der Kirche, aus ihr hinaus wirkend, wird die Wunderheilung des Gelähmten dargestellt, die hier jedoch von einer Frau vollzogen wird und nicht, wie in der Apostelgeschichte Kapitel 3, von Petrus und Johannes. Diese Szene des Petrusfensters ruft die Gemeinde im Gottesdienst in einen Dienst nach dem Gottesdienst, in den diakonischen Auftrag.
Helmut Laudert